Dienstag, 31. Oktober 2017

Jiddisches Penicillin

Habt ihr schon die alljährliche Pflichterkältung hinter euch? An sich hätte ich schon, aber wenn man in Wien mit Öffis fährt, dann hat man sich in der Regel zwei Erkältungen pro Saison verdient. Warum das so ist, das habe ich erst letztens wieder erlebt: ein Vater hat dem verkühlten Sohn erklärt, dass er bitte in die Hand niesen möge - die rechte übrigens. Und eine Minute später lehrmeisterte der Herr noch einmal und sagte dem Kind, es soll sich gut festhalten - auch mit der rechten Hand. Und wenn ich noch ein wenig gewartet hätte, dann hätte er vielleicht auch noch gesagt, welche Hand man zur Begrüßung reicht ...

Maggikraut (= Liebstöckel)

Aber egal, denn es gibt ja zum Glück ein ganz feines Hausmittel, das man früher jiddisches Penicillin nannte, das ist die gute alte Hendlsuppe. Am besten mit dem Suppengemüse und auch noch Nudeln drinnen, das wärmt von innen heraus und rutscht bequem durch einen entzündeten Hals. Und last but not least ist Suppe die perfekte Restlverwertung.

Gemüseschalen werden bei mir eingefroren

Immer wieder wundere ich mich, wieso mein Tiefkühler so voll ist. Ich muss aber eh nur einmal Suppe kochen, dann ist wieder Platz: Ich sammle nämlich die gesäuberten Schalen von verschiedenen Gemüsen. Wurzelgemüse geht sehr gut, Spargel, das eine oder andere Kohlblatt oder die Schale von einem Kohlrabi, Zucchiniabschnitte etc. Und wenn ich das Glück habe, wieder einmal an schöne Hendln zu kommen, wird Suppe gekocht.

Getrocknete Parasolstängel

Hinein kommt sonst noch, was Geschmack gibt: das um diese Jahreszeit ebenfalls eingefrorene Innenleben von ein paar Paradeisern (hier hatte ich welche entkernt), die Stiele von Parasol dreht man normalerweise heraus, die trockne ich für eben diese Zwecke, Maggikraut habe ich auf Balkonien, das friere ich während des Sommers öfter ein, wenn die Staude wieder einmal alles zuzwuchern versucht. Was auch gut passt, sind Knochen von gebratenem oder gegrilltem Hendl, die bringen Röstaromen mit. Für die Röstaromen zuständig ist auch noch eine halbierte Zwiebel, die an den Schnittflächen trocken angeröstet wird, bis sie recht dunkel ist. Die verwendet man mit der Schale und sie kommt auch von Anfang an mit in die Suppe.

Was bei mir immer im Kühlschrank warten darf, bis ich wieder einmal Minestrone koche, ist die Rinde von Parmesan. Die kommt in die Suppe rein, mit der ich das Gemüse aufgieße. Ebenso passen abgenagte Schinkenkochen sehr gut zum Ansetzen von Minestrone. Woher man die nimmt? Na einfach den Fleischhauer des Vertrauens fragen. Die haben meistens genug davon und verschenken die.

Der Roman war in Wien und hat Hendln gebracht!

Nachdem beim besten Mann von allen Huhn nie ausschauen darf wie ein Tier, weil er am Land mit Hühnern aufgewachsen ist und dann immer die entzückenden gelben Wuserln vor Augen hat, darf ich mich ans Zerlegen machen, bis das Fleisch nur mehr wie irgendein Fleisch aussieht. Übrig bleibt bei einem Huhn übrigens absolut nichts bei mir! Links hinten sieht man die Haut, die ich auch aufbrauche, z. B. für Popcorn mit Hendlgrammeln oder Braterdäpfel mit Hendlgrammeln. Für die Suppe nehme ich die Hühnerhälse, Hühnerrücken und das letzte Glied von den Flügerln. Man sieht in diversen Rezepten zwar immer wieder, dass ein ganzes Huhn verwendet wird, aber das mache ich nie. Ich gestehe aber, dass an den Knochen durch meine dilettantische Zerlegerei vom Hendl noch relativ viel Fleisch dran ist. Das löse ich am Ende des Kochens aus und gebe es in die Suppe.

Schön ist anders! Aber es schmeckt am Ende sehr gut.

Der Reihe nach: Hühnerknochen mit kaltem Wasser zustellen. Geröstete Zwiebel und ein paar Pfefferkörner dazugeben, alles eine Stunde köcheln lassen. Den Schaum ab und zu abschöpfen. Gemüse dazugeben, eine weitere halbe Stunde köcheln, dann ein paar Zweige Petersilie und Liebstöckel dazugeben, noch einmal eine halbe Stunde köcheln. Die Suppe abseihen. Ich salze Suppe übrigens erst, bevor ich sie verwende. So kann ich sie jederzeit auf die Konsistenz reduzieren, wie ich sie haben will, ohne dass die Reduktion versalzen schmeckt.

Da wir nie so viel Suppe auf einmal verbrauchen, wie ein oder gar zwei Hendln liefern, friere ich die Suppe in leeren Milchpackungen (danke für den Tipp, Astrid) ein. Kleinere Mengen kann man gut in Eiswürfebehältern einfrieren. Die Würfel sind dann immer gut zum Herstellen von Saucen oder zum Würzen von allem, wo man sonst Suppenwürfel verwenden könnte.

Für das jiddische Penicillin das Fleisch von den Knochen lösen und mitgegartes Wurzelgemüse in mundgerechte Stücke schneiden. Kleinformatige Nudeln kochen. Suppe salzen, mit Fleisch, Nudeln, Gemüse und ein wenig Schnittlauch servieren.

Vetreibt nicht nur Schnupfenviren, sondern böse Geister aller Art.



Und da meine Suppe ein Musterbeispiel dafür ist, wie man Reste aufbraucht, reiche ich das Rezept heute am allerletzten Tag bei #reducefoodwaste ein.

Was es sonst noch zu sagen gibt zum Reduzieren der Lebensmittelberge, die weggeworfen werden? Vernünftige Vorratshaltung mit viel Augenmaß ist gut, ein Tiefkühler ist wichtig, einen Essensplan vor dem Einkaufen zu haben, ist die halbe Miete. Dass man niemals hungrig einkaufen gehen soll, wissen sicher eh schon alle.












10 Kommentare :

  1. So muss Hendlsuppen sein!

    Zum Glück bin ich auch nicht verkühlt!

    lg. Sina

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    1. Das ist das gesunde Landleben, dass du gesund bist. In Wien hustet wieder einmal die Hälfte der Leute.

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  2. Liebe Sammlerin,
    mein Tiefkühler ist ebenfalls immer proppenvoll, aber gerade hat es wieder eine Lücke gegeben – Tomatenschalen, Pilzstiele, leergezupfte Rosmarinzweige und ein paar gehackte Spareribs, die eigentlich für Malì gedacht waren (ja: meine Hündin wird bekocht!), als Ergänzung zu weiteren Rippchen und Knochen, die mir als etwas zu wenig erschienen. Das Ganze hat zwar keine Suppe ergeben, sondern eine «Glace de viande» (konzentrierter Fleischfond).
    Liebe Grüsse von einem gleichgesinnten Sammler!

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    1. Meine Hunde wurden auch immer bekocht, also besser gesagt haben einfach rohe Fleischtrümmer bekommen und die Reste von unserem Reis und unserem Gemüse. Als ich ein Kind war, war das noch normal, jetzt scheinen Haustiere bei uns nur mehr überleben zu können, wenn sie Fertigfutter bekommen. Wie die Menschen. ;)

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  3. Herrlich. Hühnerbrühe koche ich derzeit auch fast wöchentlich. Allerdings muss ich gestehen, dass Gemüseabschnitte und -schalen bei mir tatsächlich in den Kompost wandern, aus irgendwas muss ja schließlich auch neue, fruchtbare Erde entstehen. ;-)

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    1. Wenn du die Möglichkeit hast, Kompost zu machen, dann ist das doch perfekte Resteverwertung. Bei mir würden die Abschnitte nur im Biomüll landen, wo andere Leute Dosen, Schachteln und sonst was reinschmeißen, also nicht kompostierbar ist.

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  4. Boahh - ich bin schwer beeindruckt ... so sparsam bin ich nicht, meine Schalen wandern auch auf den Kompost :( Deine Hühnersuppe ist ja der Rolls-Royce unter den Hühnersuppen ;) ... dass die extrem gut schmeckt glaub ich gern - bei uns kommt nicht so viel rein, ganz puristisch ist sie uns am liebsten, was drin sein muss sind Grießnockerl ;)
    Gruß Doris

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    1. Da schreibst du etwas! Ich hab keine Ahnung, wann ich das letzte Mal Grießnockerl gemacht habe. Nun hab ich total Lust drauf. :)

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  5. Liebe Susi,
    nein, hatte ich zum Glück noch nicht, aber dein jiddisches Supperl werde ich mir ganz bestimmt merken! Und dass du auch die Hühnerhaut noch verwendest auch ... obwohl ... die Hütehunde, die Krähen, die Nachbarskatzen nicht so erfreut darüber sein werden :) Danke für das feine Rezepterl. Ich hab dich endlich auf Insta entdeckt und verfolge dich selbstredend auch dort. Äh, nicht erschrecken Tante Mali fungiert dort inkognito :) als Living and Green.
    So jetzt genug geschwatzt - eine feine Zeit wünsche ich dir und schicke dir Herzensgrüße nach Wien!

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    1. Liebe Elisabeth, ich habe dich schon entdeckt auf Insta und verfolge dich mit Argusaugen!
      Als ich noch Hunde hatte, ist bei mir auch nicht so viel verkocht worden. Die hätten mich verklagt, wenn ich die Hühnerflügel selber gegessen hätte. ;)

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