Montag, 11. Dezember 2017

[Restaurant] Rien

Eigentlich ist das Vergnügen fast schon vorbei: Das rien ist ein gelungenes Projekt, leider mit Ablaufdatum. Im ehemaligen Kaffeehaus Griensteidl hat ein junges Team, das durchwegs klingende Namen aufweisen kann, das Ruder übernommen: Philipp Haufler von der Konzeptagentur friendship.is (verantwortlich u. A. für Betonküche und Feldküche) ist Geschäftsführer, Hubert Peter ist Barkeeper, Lucas Steindorfer und Simon Kotvojs sind Schüler von Christian Petz, Viola Bachmayr-Heyda Schülerin von Pierre Reboul. Die verstaubte Holztäfelung wurde vom Designer Christopher Rhomberg abmontiert, die beiden großen hellen Räume hat er sparsam umgestaltet. In einem Raum lässt der Künstler Revkin einen riesigen Affen über den Plafond marschieren, im anderen schwimmt ein Wal. Die kleinen alten Lampen wurden zu wenigen großen Lustern umfunktioniert. In die Küche kann man vom Wal-Raum aus durch eine große Glasscheibe sehen: So muss kochen aussehen! Die wenigen Leute in der Küche arbeiten konzentriert und man sieht, dass sie Spaß an der Arbeit haben, hin und wieder wurde herzhaft gelacht.
Geboten wird nicht nur ganz, ganz feines Essen: Es ist auch ein Kulturprojekt mit Lesungen, Konzerten, Vorträgen, Design-Tagen und Diskussionen.

Nun endlich haben Verena und ich es geschafft, dort einmal fein essen zu gehen. Die Karte ist übersichtlich: Es gibt Klassiker wie Gulasch (in einem Wiener Café - auch wenn das Rien kein wirkliches ist - ein Muss), Würstel (hier in bio), Nuri-Sardinen (natürlich in der Konserve serviert, aber mit fermentierter Dille und geröstetem Knoblauch). Nein, kein Wiener Schnitzel.
Das Frühstück scheint famos zu sein, wie ein Freund berichtete.
Will man sich nicht auf die kleine Karte und die verführerisch aussehenden Kuchen beschränken, gibt es Menüs mit drei, fünf oder neun Gängen. Man weiß von keinem Gang vorher, was serviert wird. Die fünf Gänge-Variante haben Verena und ich ausprobiert.
Am oberen Foto sieht man den ersten Gang: Waldorfsalat, neu interpretiert. Die Zutaten entsprechen ungefähr dem, was einen Waldorfsalat ausmacht: geraspelter Zeller (= Knollensellerie), Apfel, Walnuss (als Kern, schwarze Nuss und Nussmayonnaise), dazu Kerbel und ein unglaublich knuspriger Apfelchip, der so dünn war, dass man durchsehen konnte. Sehr fein!

Der zweite Gang war eine Karottencreme, darauf ein Sterz aus Mais, darauf wieder geriebene Karotten, sanft gegarte Karottenstücke, wieder Kerbel und am Tisch wird über alles ein Stück Kaffeebohne hauchfein gerieben. Das war fast mein Favorit. Die Aromenmischung war wirklich sehr gelungen.

Auf diesem Teller sieht man rahmiges Sauerkraut, darauf ruhen ein Waller-Knödel und ein Speck-Chip. Waller ist übrigens eine europäische Wels-Variante. Sehr geschmackvoll und in dieser Variante ein wundervoller Fisch! Nicht zu vergleichen mit den rotfleischigen Varianten mit dem Ursprung in fernen Ländern, die so gar nicht mein Ding sind. Und genau wie dieser Gang soll meiner Meinung nach neu interpretierte österreichische Küche ausschauen: Man kennt die einzelnen Komponenten, aber halt nicht in dieser Version und nicht in dieser Kombination.
Hier ruht Kalbsschulter auf Wurzelgemüsen und Erdäpfelpüree. Das Fleisch so zart, dass man kein Messer gebraucht hätte. Die Sauce ein Gedicht! Das Gemüse perfekt gegart und mit Kräutern verfeinert. Das Püree ganz zart - Flausch und Flaum sozusagen. Hier sieht man, dass sich die Küche vorgenommen hat, sich von der Filet-Küche zu verabschieden. Versuch gelungen! Ich wüsste jetzt kein Filet, gegen das ich diese Schulter eintauschen hätte wollen.
Der krönende Abschluss war wirklich ein solcher: Cheesecake, Quittenmarmelade, Cantuccini. Der Zwerg von Cheesecake war erstaunlich mächtig und die Ziege rief noch deutlich heraus, doch zusammen mit der kaum süßen Quittenmarmelade und dem ganz feinen Keks war es ein Vergnügen! Ein Essen, in dem sich Generationen vereinen: Quittenmarmelade ist so ein richtiges Oma-Ding, Cantuccini kamen 20 Jahre später nach Wien, nach weiteren 20 Jahren folgte der Cheesecake. So geht Dessert!





Getränke? Ja, klar würde es viele gute Sachen geben. Weine aus den ehemaligen K.u.K.-Ländern, die Schnäpse klingen auch viel versprechend. Sogar die Limonaden sind alle hausgemacht. Aber ich kann nicht sehr viel drüber sagen, denn ich habe mein übliches Soda-Zitron getrunken, Verena Wasser. 

Mir tut es sehr leid, dass das Rien eine Zwischennutzung ist, die sich dem Ende entgegen neigt. Und ich weiß, dass viele WienerInnen mit mir seufzen werden, denn so voll, wie das Rien immer zu sein scheint, war das Griensteidl wohl nicht. Und aus der Touristenbude ist eine Location für WienerInnen geworden! An dem Abend, an dem Verena und ich dort waren, waren alle Tische belegt.
Aber es ist ein Experiment: Es sollte in den vergangenen Monaten ausgelotet werden, was an diesem Standort möglich ist und was nicht. Geplant war das Experiment bis Jänner und der Veranstaltungskalender auf der Homepage ist für Jänner bedauernswert leer, also scheint dann wirklich Ende zu sein. Nicht nur für den Hausbesitzer wird dann mehr Klarheit bestehen, was aus den großzügigen Räumlichkeiten gemacht werden kann. Für die Köche und alle Mitwirkenden ist der Schritt in die Selbständigkeit geplant. Das Experiment scheint also für alle Beteiligten ein Erfolg gewesen zu sein.
Es ist übrigens durchaus alles auf Gewinn ausgerichtet und kein Sozialprojekt. Die Preise sind für das, was geboten wird, dennoch moderat, davor braucht man sich also wirklich nicht fürchten. Also wer kann: hingehen, solang es noch die Möglichkeit gibt!

9 Kommentare :

  1. Oh Susi, einfach nur wunderbar ... die beiden letzten wären mein Highlight!!!
    ♥lich Doris

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    1. Es war wirklich ein ganz feines Essen, an das ich noch lange denken werde.

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  2. Das klingt echt sehr gut,..ich habe bisher sehr viel vom Rien gelesen, heute zum Glück auch mal Details,..:-) DAnke! Mein Favorit wäre die Schulter, die Karotten überzeugen mich jetzt vom Lesen nicht,..aber vielleicht wenn ich sie essen tät

    danke fürs Mitnehmen

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  3. Auch die Karotten hätten dir geschmeckt, da bin ich mir ganz sicher!
    Ich hätte dich gern mit dabei gehabt.

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  4. Mein Favorit waren eindeutig die Karotten auf Sterz. Soooooooooo gut. Und sooooo fein, dass wir das gemeinsam erleben durften, liebe Susi!

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    1. OK - Nachsatz: der Salat Waldorf war auch ein Gaumenschmaus! Und das Wallerknöderl. Und der Cheesecake. Und ....
      Alles soooooo gut! :-)

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    2. Hihi, ja, war eh alles sehr gut. Das passiert mir selten, dass ich bei keinem Gang etwas auszusetzen habe.
      Danke für den schönen Abend, liebe Verena!

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  5. da kann ich dir beipflichten susi.
    schön zu sehen wie so ein abendmenü dort aussieht.
    wir waren (es gab ein paar fotos whatsapp) vor einer messe in der hofburg dort frühstücken.
    es hat ausgezeichnet geschmeckt und ich hab auch törtchen von der viola bekommen. ;-)

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    1. Ich hoffe, dass ich es noch einmal dorthin schaffe, um eben die Patisserie noch auszukosten. Nicht umsonst hat die Pâtissière bei Pierre Reboul gelernt. Die Frau kann sicher was!

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