Dienstag, 26. Januar 2016

Striezeln lernen - oder so ...


Dass ich keine Striezel flechten kann, hatte ich hier schon verraten. Daran hat sich über die Jahre nichts geändert. Nun war am 23.1. eine Veranstaltung von Slow Food Wien: "Kruste und Krume", eine Leistungsschau österreichischer Bäcker. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurden auch Workshops zu verschiedenen Bäcker-Themen angeboten, unter anderem ein Striezel-Workshop. Na nichts wie hin mit mir!

Die erste Ernüchterung dann beim Eingang zur Markterei, die ihre Tore in der Alten Post in Wien geöffnet hatte: Menschenmassen! Im Hof, im Durchgang, auf dem Gehsteig bis dem auf Straße standen Leute, die rein wollten, aber nicht konnten, weil zu dem Zeitpunkt niemand mehr eingelassen wurde, weil drinnen alles zu voll war.


Meine Idee, mich vor dem Flechten noch mir einem Kaffee zustärken, vergaß ich ganz schnell. Zum Glück fand ich aber noch rechtzeitig eine zuständige Dame, die mich durch den Lieferanteneingang zum Workshop durchwinkte.

Die Gruppe vor meiner eigenen werkelte sehr emsig: Da wurden Salzstangerl und Handsemmeln geformt, laufend brachten Helferlein fertig gebackenes Kleingebäck, das die Kursteilnehmer schon gebacken hatten. Und das schaute alles wirklich gut aus!

Alle waren so vertieft in die Arbeit, dass eine halbe Stunde überzogen wurde, also war meine Sorge, dass ich zu spät kommen würde, ganz unbegründet.





Und dann staunte ich nicht schlecht, als mich dieses Gesicht anlächelte: Peter Paffrath war gleich zu drei Workshops angemeldet. Wien ist ein Dorf, immer und überall trifft man liebe Menschen.

Über Peter und seinen Bauernhof habe ich hier und hier schon geschrieben. Peter baut nicht nur wunderbares Gemüse an, sondern er betreibt eine immer größer werdende Teichwirtschaft und hat mich nach seinem Zander süchtig gemacht. Da kenne ich wirklich keinen besseren - nicht einmal die Wildfänge aus dem Neusiedler See kommen da mit.

In der Zwischenzeit ist der Hof durch die vielen Erfolge, die Peter erringen konnte, gewachsen. Der Hof machte den zweiten Platz bei einem Wettbewerb zum Thema Nachhaltigkeit, Harrod's hat sein Ketchup im Sortiment, Peter kocht mittlerweile mit einem Haubenkoch bei diversen Events und der letzte Coup: Die BBC filmte bei den Paffraths!

Zurück zum Striezeln: Irgendwie war der Teig verschütt gegangen, aber letzten Ende bekamen doch alle KursteilnehmerInnen vier kleine Teigbällchen. Uns wurde kurz gezeigt, wie ein Viererzopf geflochten wird und wir sollten loslegen. Peter und ich hatten beide zwei Linke, aber zum Glück hatten wir eine ganz nette Dame an unserer Seite, die in einer Bäckerstube aufgewachsen war und der wir über die Schulter schauen konnten.

Der arme Markus Resch, der unser Kursleiter war, hätte wohl ein Megafon gebraucht, damit ihn alle verstehen. Er gab sich alle Mühe, aber es war ein unglaublicher Lärmpegel durch die Menschenmassen, die sich ständig auch in die Workshop-Nische drängten, war richtig, richtig laut.

Wir bekamen dann noch jeder vier kleine Teigkugerln und durften noch einmal einen Viererzopf flechten.


Aber ich hatte wirklich Glück, denn von Peter konnte ich lernen, dass man die Stränge nicht gleichmäßig machen soll, sondern an den Enden spitz und dünn, in der Mitte dick, so wird die Form besser. Und irgendwann hatte sich der Kursleiter durchgekämpft und half mir beim Flechten - der linke Zopf ist wirklich schön geworden mit der tatkräftigen Hilfe der beiden.

Ziemlich ätzend waren die Leute, die immer wieder kamen und dachten, sie könnten da nun auch mitmachen. Einmal befahl mir eine resolute Dame, ich solle hier verschwinden, sie habe nun lang genug gewartet und wolle auch einen Striezel machen. Daraufhin hab ich ihr wenig charmant gesagt, sie kann mir gern meinen Kursbeitrag zurückgeben, dann kann sie meinen Platz haben. Siehe da, so eine Ansage wirkt Wunder! Waaaas? Das kostet Geeeeld? Und schon war sie weg.




Unser Kursleiter zeigte uns dann noch verschiedene Flechtvarianten.

Was mich da wieder einmal sehr erstaunte, sind die unterschiedlichen Bezeichnungen, die innerhalb eines so kleines Landes wie Österreich verwendet werden: Eine Kursteilnehmerin wollte wissen, wie man einen Wiener Knopf macht (am Foto vorn zu sehen). Er arbeitet eine Autostunde von Wien entfernt und konnte zwar die Flechttechnik, aber den Ausdruck nicht.

Ich war wieder sehr erstaunt, dass es im Kremstal wohl ein Goderlkipferl gibt. Das ist ein flach geflochtener Viererzopf, der dann zu einem sehr großen Kipferl geformt wird. Anscheinend wird das dann zu Taufen beim Bäcker bestellt, denn eine Goderl ist in dieser Gegend eine Taufpatin. In Wien ist ein Goderl wieder was ganz anderes, da ist ein Goderl ein Doppelkinn.


Noch etwas an Wissen konnte ich auf jeden Fall mitnehmen: Die Ei-Streiche von Martin Resch besteht aus einem ganzem Ei, einer Prise Salz und einer Prise Zucker sowie ganz wenig Wasser. Damit wird der Striezel nach dem Flechten eingestrichen, geht dann vor sich hin, unmittelbar vor dem Backen wird er ein zweites Mal eingestrichen.

Unsere Striezeln wurden dann davongetragen und wir erfuhren, dass wir sie in einer Stunde fertig gebacken abholen könnten. Also hatte ich Zeit, die Leistungsschau der österreichischen Bäcker genau unter die Lupe zu nehmen. Es ist schon toll, was Handwerk alles leisten kann. Und wie viel Fantasie unsere Bäcker haben! Was die für wunderschöne Brote backen. Nachdem überall kleine Körbchen mit Kostproben standen, konnte man sich auch durchkosten: Es waren überall nur gute bis ausgezeichnete Brote!



Bei dieser Gelegenheit kann ich es nicht lassen, auch meinen Lieblingsbäcker vorzustellen: Ströck Feierabend

Die Familie Ströck betreibt eine Traditionsbäckerei, die in Wien mittlerweile zu einer Bäckereikette angewachsen ist - zu Recht! Das Brot ist wirklich gut. Und dann entstand der Ableger Ströck Feierabend, wo man ein ganz spezielles Brotangebot findet, das ich wahnsinnig gut finde. Man kann dort auch essen - Link anclicken, Speisekarte anschauen, dann wird klar, dass auch das sehr toll ist.

Der letzte gelungene Coup: ein französischer Zuckerbäcker, Pierre Reboul, wurde eingestellt und nun gibt es im Ströck Feierabend die besten Croissants Wiens. Also zumindest nach meiner unmaßgeblichen Meinung nach.

Einziger Wermuthstropfen: Es gibt nur einen einzigen Ströck Feierabend in Wien und der ist zu weit, um für jede Semmel dorthin zu fahren.

Nachdem ich mich eine Stunde lang durch die Leistungsschau schieben habe lassen, konnte  ich zu guter Letzt meine zwei Striezeln abholen, die rechts auf dem Backblech sind es, der lange verunglückte und der kurze gelungene. Man sieht, diese Ei-Streiche muss man sich merken. Die Striezeln glänzten wirklich total schön.

Als ich rausging, standen die Menschen tatsächlich immer noch in riesigen Trauben angestellt und harrten im dichten Schneefall geduldig aus, bis sie auch in die Markthalle rein durften. Jemand sagte, dass sich die Leute so ums Brot anstellen, das hat es in Wien wohl zum letzten Mal nach dem Krieg gegeben. Dass so viel Interesse an ehrlichem Bäckerhandwerk da ist, finde ich mehr als erfreulich!

22 Kommentare :

  1. Striezel flechten könnt ich, glaube ich, auch nicht. Bzw ich habe es noch nie probiert. Leider wird das gute Bäckerhandwerk immer mehr von Fabrikbrot verdrängt.

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    1. Nein, ich gebe nicht auf! Irgendwann lern ich das Striezeln. ;)
      Und die Hoffnung, dass die Leute aufhören, jedes Klumpert, das nach Brot ausschaut, kaufen, geb ich auch nicht auf.

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  2. Haha, du kannst es ja doch, liebe Susi! Superschön sind sie geworden, deine Striezel!
    Den Tipp mit der Eistreiche nehm ich mir gerne mit. Liebe Grüße!

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    1. Glaub mir, dass meine Striezel so ausschauen, wie sie ausschauen, ist nicht meinen Flechtkünsten zu verdanken, sondern freundlichen Menschen, die sich meiner im Kurs erbarmt haben. ;)

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  3. Die Striezel schauen großartig aus! Schade, dass es hier sowas nicht gibt - dafür wäre ich auch zu begeistern :D

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    1. Ihr habt keine Brioche-Zöpfe? Um Himmels Willen! Da würde ich wohl schnell flechten lernen. :)

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  4. Den Tipp für die in der Mitte dickeren Stränge nehme ich glatt mit, danke! Mein Flechtwerk war bisher auch eher lang... ;-)

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    1. Genau, dickere, kürzere Stränge. Das ist auch von wegen Haltbarkeit besser, weil der Striezel dicker ist und nicht so schnell austrocknet. Man lernt doch immer wieder etwas dazu. :)

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  5. Striezel - wow, das hab ich auch schon ewig nicht mehr gemacht, da bringst du mich auf eine Idee. Ich hab das von meiner Wiener Oma gelernt, die hat zu Ostern immer einen ganz reichhaltigen gemacht, und dann unten einen Viererzopf, drauf einen Dreierzopf und ganz oben noch zwei verschlungen. Das Flechten hat sie mir richtig gut beigebracht, wie auch vieles andere in der Küche, liegt das an der Herkunft :)? Der Rest meiner Familie ist ja aus Norddeutschland. Aber den Tipp mit der Eistreiche muss ich mir auch merken.

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    1. Hm ... dann fehlt mir die nötige Herkunft, wenn das Flechten genetisch bedingt ist. ;)
      Im Kurs war eine Frau, die ist in einer Backstube aufgewachsen. Die konnte perfekt flechten, nur in die andere Richtung, also vom Körper weg. Wahrscheinlich, weil sie es als Kind halt immer aus diesem Blickwinkel gesehen hatte.

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  6. Liebe Susi,
    ich treten dem Club nicht so gut Flechten bei. Ein toller Bericht und super Aufnahmen und tolles Backwerk, da könnte ich sofort hinlangen.
    Einen schönen Abend und liebe Grüße
    Ingrid

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    1. Es war eine wirklich tolle Leistungsschau, wo man gesehen hat, was österreichische Bäcker alles leisten können. Hoffentlich gehen nun wieder mehr Leute zum Bäcker um ihr Brot.

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  7. hi,

    toll, dass man sowas lernen kann, ich denke mir ich sollte mich auch gleich um so einen Kurs umschauen, bin ned umbedingt die beste was Geschicklichkeit und Handwerkskunst betrifft.

    lg netzchen

    Aber für den Osterstriezel bist du schon bereit, oder?

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    1. Na ich kenn da nix, ich habe bisher immer unperfekte Striezel geflochten. So wird das auch heuer wieder sein.
      Ostern back ich lieber Pinze. ;)

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  8. Liebe Susi, stell dein Licht nicht unter den Scheffel, deine STriezel schauen immer wunderschön aus! Ganz ehrlich einen perfekten möchte ich gar nicht, nicht dass der dann aussieht wie die aus der Fabrik gggg...
    Auf jeden Fall scheint es doch Spaß gemacht zu haben, Millionen Leuten rundherum.

    lg.

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    1. Naja es war teils a Gaude, teils extrem mühsam wegen der vielen Leute. Aber missen möchte ich den Nachmittag nicht. :)

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  9. Beim Flechten schreck ich ja vor nix zurück... wobei ich auch schon Profis zugeschaut hab, so easy geht es mir nicht von der Hand. Und, Hand aufs Herz- Kunstwerke einerseits, ist mir ein normaler 3er-Zopf immer noch der Liebste um aus meinem Ofen zu ziehen.

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    1. Es gibt aber schon extrem schöne Zöpfe, die ich so gern alle flechten können würde. Aber ich hab ja noch Zeit, bin ja extrem jung und knackig oder so ... ;)

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    2. deine Glasur hab ich gleich getestet gestern, kommt super raus. Nur witzig, ich hab mich "verflochten" an einer Stelle. Hochmut kommt vor dem Fall....
      ach und ich durfte meine Haare als Kind nur wachsen lassen wenn ich sie selber frisiert habe- so hab ich mich schon sehr früh mit Zöpfen befasst.

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    3. Der Witz an der Sache ist: An mir konnte ich, als ich noch lange Haare hatte, ganz problemlos Zöpfe flechten, nur sobald etwas vor mir ist, bring ich das einfach nicht zusammen!

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  10. Toller Bericht! Danke. Ich finde, dass nach dem Backen alle Zöpfe perfekt aussehen. Vielleicht nicht klassisch wie vom Bäcker, aber dafür individuell und jeder weiß daher, dass sie selbstgemacht sind.
    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
    Anna

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    1. Danke für deine lieben Worte! Die Striezel haben vor allem ganz super geschmeckt, was immer noch die Hauptsache ist.

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