Dienstag, 9. April 2019

[Buchbesprechung] Essbare Stadt von Maurice Maggi

Enthält Werbung (Rezensionsexemplar, Verlinkungen)

Schon oft habe ich überlegt, wenn mich ein Verlag fragen würde, ob ich ein Kochbuch schreiben will, was für ein Thema ich wählen würde. Das erste wäre wohl "Balkonien-Kochen", aber direkt danach käme dann "Kochen mit städtischem Grünzeug". Das blöde ist, nun gibt es schon ein sehr tolles Buch zum zweiten Thema, nämlich das hier vorliegende. Es ist eigentlich so, wie ich ein eigenes Buch gern hätte: Es wirkt schon von außen irgendwie "öko-bio": Fester Pappdeckeleinband, unspektakulare aber schöne Grafik, innen gut gegliedert, mit schönen Fotos versehen und endlich einmal neu interpretierte Wildpflanzen-Rezepte! Innen ist das Buch dann weitaus weniger spartanisch, sondern reich bebildert mit Fotos und Grafiken.

Aber der Reihe nach: Der Autor Maurice Maggi ist gelernter Landschaftsgärtner, Koch und leidenschaftlicher Guerillagärtner. Bekannt wurde er, weil er in Zürich Malvensamen aussäte. Ich stelle mir das wunderschön vor, denn auch hier wachsen einige Malven wild und deren Blüten sind eine Augenweide. Vielleicht war er ja hier? Als Koch hat er international gearbeitet, jetzt schaut es so aus, als wäre er auch Koch-Aktivist, denn es gibt Gemüsevernissagen von ihm.

Die Fotos in dem Buch sind von Juliette Chretien. Es sind helle und klare Bilder, die auf mich sehr feminin wirken. Ja, Essensfotos können tatsächlich feminin wirken, finde ich. Ich mag besonders die Fotos von dem, was man in Wien "Gstätten" nennt, sehr gern: Bereiche der Stadt, die eindeutig städtisch sind, weil man Bauwerke sieht, bei denen aber gleichzeitig Pflanzen im Vordergrund stehen, als würden die Pflanzen sich die Stadt gerade zurückerobern.
Außer den Fotos gibt es noch Grafiken im Buch, damit werden die einzelnen Pflanzen vorgestellt. Bei den Pflanzenporträts gibt es nützliche Hinweise, wie alle oder einzelne Teile auch über die Rezepte im Buch hinaus verwendet werden können, Inhaltsstoffe werden beschrieben und die Plätze, an denen die jeweilige Pflanze bevorzugt wächst.

Gerade bei den Pflanzenvorstellungen muss ich sagen, dass mir einiges fehlt: Ich wusste zum Beispiel nicht, dass es verschiedene Arten von Himmelschlüsseln gibt und welche ich nehmen hätte müssen, damit sie auch richtig Geschmack mitbringen. Auch Hinweise zum Artenschutz sind nicht zu finden, was gerade bei Himmelschlüsseln wichtig wäre, denn da gibt es auch streng geschützte dabei. Meines Wissens kann man nicht alle Berberitzen essen, sondern da gibt es auch giftige, dazu findet sich ebenfalls kein Hinweis. Bei den Veilchen fehlt mir das gesamte Pflanzenporträt, denn gerade in der Stadt sind 90 % "Hundsveicherl", die weder duften noch schmecken, was vielleicht nicht alle Leute wissen. Was es gibt, ist der Rat, beim ersten Mal mit einer kundigen Person ernten gehen, damit man lernt, was man ernten kann und was nicht. Das ist sicher gerade bei hochgiftigen Pflanzen wie der Eibe sehr wichtig, denn auch die wird in dem Buch verarbeitet.

Die 70 Rezepte klingen alle toll! Das ist eine fantasievolle Küche, die Wildpflanzen mit saisonalen Gemüsen kombiniert, aber auch Zutaten verwendet, die nicht so alltäglich sind wie z. B. Quinoa oder Cedri. Ich nehme jetzt nur ein paar Namen heraus, damit klar wird, was ich meine: Verlorenes Ei auf Linden-Buchen-Schaum, Melonensüppchen mit Wegwarte, Waldmeister- Ravioli, Blütentempura, Weißdornbeerensauce, Baumblätter-Amaranth, Blütentempura auf Quinoa-Mungobohnen-Salat, Kokosmilch-Flan mit Galgant und Zitronengras auf Berberitzen, Tomme im Knuspermantel mit warmem Wirz-Quitten-Salat und Hagebuttensauce, Lindenblüten-Goldmelissen-Gelee mit Avocado-Frucht-Salat. Die Namen verraten schon viel von dem, was einen dann in den Gerichten erwarten wird: Hier wird Vielfalt groß geschrieben! Der Schwierigkeitsgrad der Rezepte und die dafür benötigten Küchengeräte sind überschaubar. Da habe sogar ich in meiner Low Tech-Küche alles, was man zum Nachkochen braucht. Die Rezepte sind fast alle vegetarisch oder vegan. Bei jedem Rezept stehen noch Varianten dabei, mit welchen Zutaten man noch arbeiten kann oder wie man das Rezept ändern kann.

Das Buch kam bei mir gerade zur richtigen Zeit an, denn im Frühling kann man ja wirklich aus dem Vollen schöpfen, was Wildpflanzen angeht! Die Rezepte sind nach Frühling, Sommer, Herbst und Winter gegliedert. Die Berberitzen habe ich gekauft, die kann ich erst im Herbst selber sammeln gehen. Alle anderen Pflanzen sind selbst gesammelt.



Löwenzahnsalat mit Tortilla

Leider habe ich nur verschwommene Fotos von den kleinen Tortillas produziert, aber ich kann sagen: die schmecken! Spannend dabei ist, dass Löwenzahnwurzeln mit verarbeitet wird. Die schmeckt bitter, was ich mag. Mein Opa hat die Wurzel ab und zu als Salat gegessen, was schon grimmig bitter war, aber ein Teil der Bitterstoffe geht beim Garen offensichtlich weg, damit schmeckt das recht gut. Der leicht bittere Löwenzahnsalat passt perfekt dazu.
Schlüsselblumenblüten-Gelee auf Zitrussalat

Das Rezept ist mir nicht so sehr gelungen, denn die Schlüsselblumen hat man überhaupt nicht geschmeckt. Im Nachhinein weiß ich, dass ich wohl die falschen verwendet habe, weil ich nicht wusste, dass es verschiedene Arten gibt.

Generell werden sehr viele Schlüsselblumen verwendet: Schnaps, Essig und Schlüsselblumenblättersalat finden sich in dem Buch. Aber es gibt ja noch ein weiteres Jahr, da mach ich mich dann mit den richtigen an die Arbeit!








Kater-Rührei mit Spitzwegerich- und Ginkgoblättern

Hier ein Rezept für ein quasi therapeutisches Essen: der Spitzwegerich unterstützt Leber, Hals und Magen, Ginkgo fördert die Durchblutung und unterstützt das Gehirn. Ich kann aber bestätigen, dass diese Eierspeis auch ohne Kater schmeckt.

Als Varianten werden hier Brennnesseln, Bärlauch, Giersch oder Lindenblätter angeführt.






Birnentarte mit Safran und Berberitzen

Das ist das Rezept, das ich vorstellen möchte, denn der Turbohausmann war so begeistert, dass er sich gleich eine Wiederholung gewünscht hätte. Leider sind aber die Lagerbirnen nun wirklich alle vom Markt, daher muss er sich bis zum kommenden Winter gedulden.

Im Buch wird oft mit fertigem Blätterteig gearbeitet, so auch hier. Das ist aber gar nicht mein Ding, daher habe ich den durch Topfenblätterteig ersetzt, was bei solchen Kuchen super klappt.










Mein Fazit: Es ist ja fast schade, dass dieses Buch schon geschrieben wurde, denn ich würde mir wünschen, dass ich genau so etwas zusammenbringe. Es ist ein Buch für alle kochaffinen Städter mit Bezug zu den Grünräumen, die es in der Stadt gibt. Ich freu mich auf jeden Fall schon sehr, wenn ich die nächsten Sammelgänge in die Natur machen kann. Nun kenne ich einige Pflanzen mehr, die ich beernten kann.


Fakten zum Buch:
Erschienen im at-Verlag
Autor: Maurice Maggi
ISBN: 978-3-03902-005-8
Einband: Gebunden
Umfang: 320 Seiten
Gewicht: 979 g
Format: 16.8 cm x 23.6 cm
Preis: 27,- €

Bestellen kann man das Buch wie immer beim Buchhändler ums Eck, direkt beim at-Verlag oder im Internet bei einem der vielen Versender.

Die Links sind alle keine Affilate-Links.

Vielen Dank an den AT-Verlag, dass er so ein grandioses Buch gemacht hat und mir ein Rezensionsexemplar überlassen hat.
 

6 Kommentare :

  1. Wenn jede/r von uns hin und wieder ein Samenpäckchen mit Wildblumen u.a. ausstreuen würde (vor einem Regen zB.) wäre es um uns herum, auch in der Stadt vielfältiger...
    Das Buch und deine vorgestellten Rezepte gefallen mir!!
    Mit Schlüsselblumen ist es so wie mit Veilchen, manche duften gut und andere gar nicht.

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    1. Liebe Friederike,
      es kommt immer drauf an, was gesät wird. Heimische Wildblumen ist sicher eine sehr gute Idee! Bei uns in der Nähe gibt es zum Beispiel kaum mehr Hetscherl, weil die alle von Goji-Pflanzen überwuchert sind.

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  2. Liebe Susi,
    danke für die Buchvorstellung. Als experimentelle Wildpflanzenköchin (ohne Koch-Ausbildung) träume ich auch gelegentlich von selbst entwickelten Rezepten zwischen Buchdeckeln. Bisher ergab sich noch keine Gelegenheit und es herrscht ja fast auch schon eine Schwemme an Büchern zum Thema. Das von dir vorgestellte klingt, als würde es mir auch gefallen. Ich mag, wenn den verschiedenen (oft an sich unspektakulären) wilden Pflanzen ihre beste Seite abgewonnen wird.
    Schade, dass keine Hinweise zum Artenschutz im Buch sind und gut, dass du darauf hinweist! Ich finde, wer sich in der Natur bedient, ist um so mehr verantwortlich, die Natur zu erhalten.

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    1. Liebe Peggy,
      so gute Bücher stell ich gerne vor.
      Es stimmt, dass Wildpflanzen gerade ein sehr beliebtes Thema für Kochbücher sind. Mich hat dieses Buch besonders gefreut, weil endlich einmal keine 08/15-Rezepte zu finden sind, sondern außergewöhnliche vorgestellt werden.

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  3. Liebe Susi,
    das Buch habe ich auch und blättere es gerne durch ... Mit deiner Rezension merke ich, dass ich oft schon sehr "betriebsblind" bin - die Unvollständigkeit der Pflanzenbeschreibungen wäre mir zum Beispiel gar nicht aufgefallen ...
    Alles Liebe!

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    1. Liebe Maria,
      na ja unvollständig ... Jede/r hat andere Vorstellungen, was erwähnenswert ist und was nicht. Ich mit meinem Wissensstand hätte mir halt etwas mehr gewünscht.

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